Freitag, 17. Februar 2006

Hühnersuppe in der PRESSE

Die Kommentarseite in der PRESSE lese ich eigentlich ganz gerne, leicht konservativ und die Leserbriefe oft zum leichten Aufregen geeignet Die Rubrik quergeschrieben vom 16.02.2006 war nun wieder so ein Fall, eine Kommentatorin erhob ihre Stimme, um gegen den doofen Konsumenten zu wettern, der sich erdreistet, es einfach auch mal egal zu finden, wenn das Fleisch nicht von glücklichen Kühen stammt, sondern aus der Formfleischabteilung mit Geschmacksunterstützung.

"Auch ich aß so lange asiatische Instant-Nudelsuppen, bis ich "Chickenflavor" tatsächlich für den Geschmack von Hühnersuppe hielt. Als ich irgendwann die erste richtige Hühnersuppe kochte, war das eine interessante Erfahrung: So schmeckt das also, wenn ein echtes Huhn beteiligt ist. Was wohl immer weniger Menschen wissen: Laut "Weltwoche" bietet die Schweizer Firma Givuadan, die weltweit größte Herstellerin von Aromastoffen, 3000 verschiedene Hühner-Aromen an, chemische Cocktails, die mit Essen im herkömmlichen Sinn nichts mehr zu tun haben - sie schmecken bloß so ähnlich."

Was auch ihren Furor erklärt, denn niemand ist strenger als der Konvertit. Seien wir doch mal ehrlich: Wer kommt auf die Idee, dass asiatische Nudelsuppen, wo man auf Pressnudeln aus Beuteln die Würzmischung auflegt, irgendetwas mit Hühnergeschmack zu tun haben? Seine eigene Doofheit der Geschmacksstoffindustrie zum Vorwurf zu machen, hat schon Chuzpe.
Auch schön ist der Nachsatz, wonach die chemischen Cocktails nichts mit Essen zu tun hätten. Au contraire, madam. Es ist ja gerade das Faszinierende, dass Geschmack/Geruch der Ausdruck der Reaktion unserer Sinnesnerven auf einen wilden Chemikaliencocktail ist, der von der Nahrung ausströmt. Oder glaubt die Autoren, Hühnchengeschmack rührt vom Hühnchengeschmackmolekül her? Kurz und oberflächlich gegoogelt (was man so macht, wenn man nicht vom Fach ist):

"...wurden in Yoghurt 91 Verbindungen identifiziert, von denen 21 als wesentliche Aromastoffe festgestellt wurden [Ott et al, 1997]. Unter den im Reiskuchen nachgewiesenen 65 flüchtigen Verbindungen zeigten sich 10 Komponenten als wichtig für das Aroma [Buttery et al, 1999 a]. In frisch destillierten Calvados-Proben verschiedener Qualität wurden insgesamt 120 Verbindungen identifiziert. Die sensorische Analyse dieser Produkte zeigte die Anwesenheit von 71 aromaaktiven Verbindungen, von denen 19 als typische Calvados-Marker festgestellt wurden [Guichard et al, 2003; Ledauphin et al, 2003]. Als Schlüsselaromastoffe ("character impact compounds") werden diejenigen Aromastoffe bezeichnet, die das charakteristische Aroma eines Lebensmittel prägen. Beispiele sind (Z)-3-Hexenal in Tomaten [Buttery, 1993], 2-sec-Butyl-3-Methoxypyrazin in rohen Karotten [Cronin und Stanton, 1976] oder 1-p-Menthen-8-thiol in Grapefruit [Demole et al, 1982]. Eine ausführliche Zusammenstellung von Schlüsselaromastoffen findet sich in der Übersicht von McGorrin (2002). "

Na, das sieht ja richtig nach Chemie aus, so mit Hexenal und Pyrazin. Hm. Das ist ja ein Chemikaliencocktail von Natur aus, was den Zusatz ebendieser Substanzen in einem anderen Licht erscheinen lässt. Es sei denn, man ist der animistischen Ansicht, die Natur-Chemikalien seien etwas anderes als die hinzugefügten. Aber vom Aberglauben sind wir in dieser aufgeklärten Zeit ja weit entfernt, oder?

Es geht ja noch weiter:

"Im Werbefernsehen sieht man Leute behaupten, sie fühlten sich nach dem regelmäßigen Konsum eines mit Chemie angereicherten Joghurts "besser"; ein Radiomoderator lässt sich gut dafür bezahlen, dass er Leuten einredet, sie würden bald spüren, wie das Techno-Joghurt ihre Abwehrkräfte stärke. Die Frage ist: Wie? Was haben sie vorher gespürt? Ging's ihnen da schlechter? Warum? Und wie merkt man, in welchem Zustand sich die eigenen Abwehrkräfte grad befinden? Und wie äußerte sich eine Verbesserung nach nur vierzehn Tagen? "

Wie wahr, wie wahr. Moment, ich stimme zu? Aber ja! Genau die Fragen stelle ich mir auch bei dieser Deppenwerbung, denn das sind genau die Fragen, die man sich bei all diesen Stoffen mit behaupteter Wirksamkeit stellen sollte (und nicht tut). Wieso verkauft sich Homöopathie wie geschnitten Brot? Aus dem gleichen Grunde. Keine sauberen Untersuchungen, aber die Leute wollen glauben.

Ich habe mich ja schon gefragt, ob ich die Firma dann verklagen kann, wenn ich Arthritis bekomme... Dennoch, ein Makel bleibt: Was zT hat L. Casei Defensis mit Chemie zu tun? Das ist eine Bakterienkultur, mithin weit von chemischen Zusätzen entfernt. Abgesehen davon ist der Name für das Bakterium ziemlich deppert (und ich wette aus der Marketingabteilung). Die Wirkung dieser Bakterien ist übrigens interssant, es scheint, dass DNA-Fragmente direkt stimulierend auf das Immunsystem wirken. Amüsant, wenn man bedenkt, dass Actimeltrinker wahrscheinlich eher dem Gentech-feindlichen und Biokostlager zuzurechnen sind. Tja, mit ein wenig Wissen wäre das nicht passiert.

Wahre Worte zum Schluss:

"Seien wir uns doch ehrlich: Es wird uns in der Werbung Mist erzählt, wir glauben den Mist und kaufen den Mist. Dagegen sollten wir Abwehrkräfte entwickeln. "

Hört, hört. Gesunde Skepsis ist angesagt. Leider war der Kommentar von Frau Knecht diesmal auch ein solcher. Mist. Mit Verlaub.

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