Montag, 6. März 2006

Wenn das Sozialwissenschaft ist, na dann gute Nacht...

DIE PRESSE, wieder einmal.
Nun war im heutigen Forum Bildung ein Artikel zur Frage, wie man Frauen/Mädchen dazu animieren kann, mehr naturwissenschaftliche Studiengänge zu belegen. Dies ist eine wichtige Frage, denn in diesem Bereich liegt schliesslich die Zukunft unserer Gesellschaft, der verpönte Fortschritt. Ohne eine vermehrte Teilhabe der besseren Hälfte der Gesellschaft wird das mit der Zukunft nix.
Wie sind die Zahlen? Kurz googlen, guckst Du hier: Studie in Deutschland. Oder hier: Vergleich über OECD-Länder und Schwellenländer.
Kurz gesagt: Der Anteil der Frauen an den Ingenieurwissenschaften liegt bei (schwachen) 22%, bei Naturwissenschaften bei immerhin knapp 40%. Also ganz ok, verbesserungsfähig, aber immerhin.
Was sagt nun die in der PRESSE befragte Expertin und Sozialwissenschaftlerin Frau Schlaffer?

Die Presse: Die Burschen sind unter den naturwissenschaftlichen Studentinnen und Studenten in der Überzahl. Hat es die Schule versäumt, Mädchen für Studien wie Physik oder Chemie zu begeistern oder auch nur zu qualifizieren?

Edit Schlaffer: Da liegt hundertprozentig ein Versagen der Schule vor. Wir sehen ja, dass Frauen etwa in der arabischen Welt gerade in der Naturwissenschaft und Technik top sind, mit Quoten von fast 40 Prozent.
Mit Verlaub, häh? Einen Unterschied vermag ich nicht zu erkennen, im Gegenteil, auch in den Industrieländern sieht es oft für die Männer schlecht aus, siehe hier. Die These von der PRESSE ist also eigentlich schon hinfällig. Aber besonders bemerkenswert fand ich folgende Aussage von Frau Schlaffer:

Dort erklärt man sich das große Interesse von Frauen für Naturwissenschaften damit, dass Mädchen von Burschen getrennt unterrichtet werden und sich dadurch viel mehr zutrauen.
Ich habe selten eine solch kulturimperialistische Sicht gelesen. Wo ist der sonst so gern gesehene Relativismus? Die obige Aussage bedeutet, dass Frau Schlaffer die gesellschaftlichen Realitäten in arabischen Staaten mit denen in Europa gleichsetzt und als einzige Erklärung für die behauptete höhere Präsenz von Frauen in den Naturwissenschaften die getrennte Erziehung heranzieht. Dabei ist gerade die Rolle der Frau ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen Gesellschaften. Da z.B. in den strenger islamischen Staaten Frauen nur von Frauen unterrichtet oder ärztlich behandelt werden dürfen, ist ein grösserer Frauenanteil zwangsläufig; da gerade in den arabischen Staaten die Stellenvergabe oft aufgrund von Privilegien erfolgt, ist für Frauen der Weg über die Wissenschaften notwendig für den gesellschaftlichen Aufstieg, denn in dieser Nische ist das Können wichtiger als das Kennen (der richtigen Leute). Diese Mechanismen sieht man auch in den anderen Schwellenländern, in Indien und China, wo die Wissenschaften den Weg nach oben darstellen.
Ein interessantes Detail aus diesem link ist, dass es scheinbar eine negative Korrelation zwischen der Progressivität eines Landes und seiner Frauenquote in Mathematik gibt: Die Niederlande und Dänemark liegen da bei 29% und 31%, Italien und Spanien bei 61% und 51%. Hmm. Es scheint, dass auch in diesen Ländern die Frauen den Weg über das Fachwissen nehmen, um sich aus gesellschaftlichen Zwängen zu befreien.
Fazit: Die Fakten sind wohl andere als behauptet und die Nichtberücksichtigung der Lage der Frauen in den arabischen Ländern ist erstaunlich, wenn dies sogar mir auffällt. Kein Wunder, dass die Sozialwissenschaften einen schlechten Leumund bei Naturwissenschaftlern haben.



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